Wie die Barcodes zu Kunstwerken wurden

Eines Tages, als ich mal wieder per Anhalter unterwegs war, wurde ich von einem Mann in einem Postauto mitgenommen. Postautofahrer dürfen eigentlich keine Anhalter mitnehmen, aber dieser Fahrer war ein besonders netter Mensch und nahm mich trotzdem mit. Er sagte mir aber, dass ich nur hinten auf der Ladefläche mitfahren könne, wo mich keiner sieht. Also machte ich es mir auf den Postsäcken bequem und wir fuhren los.

Nach einer Weile hörte ich leise Stimmen. Mal war es ein undeutliches Wispern, mal war es ein Klagen, mal konnte ich einzelne Wortfetzen verstehen. Ich dachte erst, das wäre das Autoradio aber dann merkte ich, die Stimmen kamen aus dem Postsack, auf dem ich lag.

Ich erschrak fast zu Tode. Was war das? Waren da andere Bären oder Menschen in den Säcken? War ich etwa einem Kidnapper oder einem Tierfänger in die Hände geraten?

„Hallo?“ rief ich leise. „Ist hier noch jemand?“ Stille. Ich musste mich getäuscht haben oder es war doch das Autoradio.

Plötzlich wieder Stimmen. Mir rutschte das Herz in mein Handtuch. “ H….h…. hallo?“ rief ich nochmal mit zittriger Stimme. „Ist hier w…w…wer?“

„Ja, wir sind es, die Barcodes auf den Briefen,“ hörte ich aus dem Gemurmel unter mit heraus. Barcodes? Briefe?

Barcodes auf Briefen

Barcodes auf Briefen

Ich erinnerte mich an ein paar Briefe auf einem Schreibtisch, auf dem ich mal eine Weile gesessen hatte, da waren so kleine schwarz-weisse Muster drauf. Die Muster enthalten eine Menge Informationen. Aber dass die Barcodes sprechen können? Das ist schon ein Ding.

Wir hatten noch eine lange Fahrt vor uns und ich freue mich immer über nette Reisegefährten, also stellten wir uns einander vor und begannen, uns zu unterhalten. Wir berichteten von unseren Reisen, wo wir schon gewesen waren, von wo überall wir herkamen und wo wir hin wollten.

Und dann erzählten mir die Barcodes, dass sie ganz traurig wären, weil sie zwar überall herumkämen und viel sehen würden, sie selbst aber nie beachtet würden, weil sie so klein und unscheinbar sind. Ganz anders als die bunten Briefmarken, die sich die Leute manchmal von den Briefen ausschneiden und in Sammelalben stecken, würden die Barcodes immer nur in der Altpapiertonne landen.

Ich dachte, den traurigen Barcodes muss doch geholfen werden und ich hatte eine Idee. Als ich das nächste Mal in den Güterhallen bei der Künstlerin Carla Froitzheim war, flüsterte ich ihr nachts die Geschichte von den traurigen Barcodes ins Ohr.

Am nächsten Morgen wurde Carla wach und dachte immer nur an Barcodes und die hübschen Muster, die sie darstellen, und dass die doch bestimmt auch bunt sehr hübsch aussehen würden – so als ob ihr jemand einen Floh ins Ohr gesetzt hätte.

Barcode-Vorlage

Barcode-Vorlage

Im Internet fand sie schnell ein Programm, mit dem man Barcodes machen kann. Da gab sie Wörter ein, die das Programm in einen Barcode verwandelte – raum, zeit, licht, feuer, wasser, mitte – jedes Wort ergab ein anderes schönes Muster. Die Wörter, die Carla ganz besonders mochte, druckte sie aus. Dann nahm sie Leinwand, Farbe und einen Pinsel und malte das schwarzweisse Muster in verschiedenen Farben auf die Leinwand. Sie nahm auch Spachtelmasse dazu, Sand, kleine Glasperlen, Asche oder Fasern, je nachdem, was zu dem Wort passte, aus dem der Barcode entstanden war.

BarCodeArt

BarCodeArt

Und so kam es, dass die Barcodes zu Kunstwerken wurden und jetzt sogar eine eigene Ausstellung bekommen – ist das nicht noch viel schöner als ein Leben als Briefmarke in einem Sammelalbum?


Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.